Schon seit einigen Jahren sagen wir uns, dass wir bei dem Thema Menschenhandel nur etwas weiterbringen können, wenn alle Kräfte gebündelt werden, die es in Österreich gibt. Seit 2004 gibt es unter der Leitung des Außenministeriums eine Task-Force für diese Aufgabe, und im vergangenen März wurde ich zur ‚Nationalen Koordinatorin zur Bekämpfung des Menschenhandels‘ ernannt.“ Mit diesen Worten umreißt Botschafterin Elisabeth Tichy-Fisslberger den Versuch, den Kampf gegen dieses unheilvolle Phänomen zu intensivieren. Fast alle Ministerien sind in irgendeiner Form in diesen Kampf involviert, ebenso Behörden in den Bundesländern – und auch NGOs, die mit Vorschlägen und Projekten, aber auch Kritik zu den Sitzungen der Task-Force kommen.
Die Diplomatin vertrat früher Österreich in Irland, Großbritannien und bei der Europäischen Union, bevor sie ihre neue Tätigkeit aufnahm. Die Schaffung dieser Funktion geht auf eine Empfehlung der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) zurück, dass es in jedem Land einen Berichterstatter bzw. Koordinator geben solle. Ihr Aufgabenbereich ist weit gesteckt: „Alles koordinieren, was in Österreich an Aktivitäten gegen den Menschenhandel läuft. Wir sprechen dabei immer von den drei Ps, nach den englischen Wörtern prevention, also Vorbeugung, Verhinderung, protection, Schutz der Opfer, und prosecution, Strafverfolgung. Zusätzlich kommt noch die internationale Zusammenarbeit dazu, denn ohne die wäre alles sinnlos, handelt es sich doch ganz eindeutig um ein grenzübergreifendes Phänomen. Auch eine wachsende Anzahl internationaler Organisationen nimmt sich des Phänomens an, die OSZE etwa und die UNO mit ihrer in Wien ansässigen Unterorganisation UNODC.“
Die Task-Force zur Bekämpfung des Menschenhandels umfasst an die 40 Mitglieder aus verschiedensten Behörden und Institutionen. „Jedes einzelne Mitglied ist außergewöhnlich engagiert“, freut sich die Botschafterin. Eine umfassende Aufklärung zum Thema ist für sie essenziell, und sie soll sich an verschiedene Berufsgruppen und Bevölkerungsschichten richten. Der soeben fertiggestellte zweijährige Aktionsplan gruppiert sich im wesentlichen um die erwähnten drei Ps. „Prävention ist jede Art der Aufklärung in Österreich. Man muss zum Beispiel schon den Kindern in der Schule erklären, dass es so etwas wie den Menschenhandel gibt, wie man ihn erkennen kann, wie man sich davon fernhalten kann. Aufklärung ist auch wichtig in bestimmten beruflichen Bereichen, etwa bei medizinischem Personal, bei der Polizei. Sehr oft ist der Menschenhandel kombiniert mit Delikten, oft Kleindelikten. Sprich: die stehlenden Kinder auf der Straße. Das sind aber nicht Kinder, die aus eigener Initiative zu stehlen begonnen haben, sondern weil man sie gehandelt hat und irgendjemand ihnen am Abend sagt, du musst 200 Euro abliefern, sonst geht’s dir schlecht.“
Die Polizisten würden auf den ersten Blick wahrscheinlich nur sehen, dass da jemand eine Handtasche oder Brieftasche gestohlen hat, doch es sei wichtig, dass sie das Kind weiter fragen, wem es die Tasche bringe, wo es lebe usw. Dazu brauche es eine entsprechende Schulung. Auch für die Beschäftigten bei Gericht und in der Staatsanwaltschaft.
Ein gesellschaftlich sehr schwieriges Thema ist der Opferschutz. Wie umgehen mit den Opfern, wenn sie einmal identifiziert sind? „Ich muss das deliktische Verhalten trennen von der Tatsache, dass diese Person in irgendeinem Gewaltverhältnis steht zu einer Schlepperbande oder zu wem auch immer. Da das sehr häufig ausländische Staatsangehörige sind, stellt sich die Frage: Was mach ich jetzt mit der Person?“ In Österreich hätten wir – zumindest im europäischen Vergleich – eine relativ großzügige Regelung, zeigt sich die Nationale Koordinatorin zufrieden. Das Opfer des Menschenhandels darf erst einmal 30 Tage im Land bleiben und wird in Ruhe gelassen. Sobald ein Gerichtsverfahren läuft, kann er oder sie für die Dauer des Verfahrens hier bleiben, so die jüngste Novellierung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes bezüglich Opferschutz. Die Botschafterin ist zuversichtlich, dass es bald eine weitere Verbesserung geben wird.
Im Opferschutzprogramm kann die staatliche Einrichtung auf die tatkräftige Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zählen, etwa der LEFÖ in Wien, einer aus einer Hilfsorganisation für exilierte Lateinamerikanerinnen hervorgegangenen Beratungsstelle. Sie besorgen Notwohnungen, leisten soziale und psychologische Betreuung, begleiten die Frauen bei polizeilichen Einvernahmen und Prozessen. „Hier leisten die NGOs eine sehr wertvolle Arbeit“, freut sich Elisabeth Tichy-Fisslberger. Wichtig sind sie auch als Anlaufstelle für von Frauenhandel betroffene Personen. Nach der Definition der LEFÖ trifft das Strafdelikt zu, wenn Frauen aufgrund von Täuschungen und falschen Versprechungen migrieren und im Zielland in eine Zwangslage gebracht werden, wenn sie aufgrund ihrer rechtlosen Situation zur Ausübung von Dienstleistungen gezwungen oder wenn sie von Ehemännern oder Arbeitgebern ihrer Würde, ihrer persönlichen oder sexuellen Integrität beraubt werden. „Es ist einfach niederschwelliger, sich an eine NGO zu wenden, als in ein Ministerium zu gehen. Die Täter haben ja den Opfern eingeimpft, dass sie sich nie an eine Behörde wenden sollten.“
Im Kampf gegen den Menschenhandel kann auch die Entwicklungszusammenarbeit eine Rolle spielen. „Im Bestfall kann man durch Unterstützung der armen Länder erreichen, dass zumindest weniger Leute in die Situation kommen, gehandelt zu werden, weil sich die Verhältnisse zuhause bessern.“ Doch im allgemeinen zeigt sich Tichy-Fisslberger realistisch, was die Perspektiven der Bekämpfung des Menschenhandels mit seinen mafiösen und globalen Strukturen betrifft: „Man kann noch so viel tun – so richtig einstellen wird man den Menschenhandel in absehbarer Zeit nicht können.“ Eine effektive nationale und internationale Zusammenarbeit ist sicher der wesentlichste Faktor dafür, zumindest das Ausmaß dieser menschenverachtenden Praxis zunehmend einzudämmen.
PS: Zum Thema siehe auch SWM 1-2/08 und 3/08.